Dienstag, 12. April 2016

Hochzeit auf kambodschanisch

Innerhalb der letzten Monate wurde ich genauso häufig zu einer Hochzeit eingeladen wie in meinem ganzen vorigen Leben. Doch es liegt nicht daran, dass alle meine Freunde entscheiden, jetzt schnell, kurz nach dem Abi, zu heiraten. Nein. Es liegt daran, dass hier in Kambodscha Hochzeiten viel größer gefeiert werden als in Deutschland und man schon eingeladen ist, wenn man nur der Nachbar der Schwester der Braut ist oder aus noch geringeren Gründen.
Bei uns "Deutschen" geht es bei einer Hochzeit meist darum, dass sich zwei Personen lieben und darüber im klaren sind, dass sie ihr weiteres Leben gemeinsam verbringen wollen. Und sie dieses Versprechen vor ihren Freunden, Familien und oftmals vor Gott geben wollen.
Gut, manchen Paaren geht es vielleicht auch nur um die Steuervorteile, aber die lassen wir mal außen vor. Denn im Grunde geht es darum nicht, sondern um die Liebe.
Inzwischen heiraten aber in Deutschland immer weniger Paare, da es nicht notwendig ist, da man auch unverheiratet sein Leben zu zweit oder sogar mit eigenem Nachwuchs verbringen kann.

Hier ist es noch ein wenig anders. Als Paar zu zweit zu Leben und womöglich auch noch Kinder bekommen, aber nicht verheiratet zu sein, ist hier keine Möglichkeit. Die Hochzeit ist im Grunde eine Pflichtveranstaltung. Bei vielen Hochzeiten handelt es sich sogar noch um eine, von dern Eltern arrangierte, Eheschließung. Das Privileg sich seinen Partner selber auszusuchen haben nicht viele. Erst recht die Landbevölkerung ist noch sehr konservativ und hält sich an diese alte Tradition.
Auch an die Tradition, keinen Sex vor der Ehe zu haben, ist im ganzen Land noch weit verbreitet. Generell wird öffentlich keine Zuneigung gezeigt. Auch wenn man schon verheiratet ist und Kinder hat kann man nicht offen "Händchen halten" oder sich küssen. Wer das tut verliert sein Gesicht.

Zudem muss der Bräutigam der Familie der Frau eine gewisse Summe an Geld geben, sodass er seine Braut heiraten darf. Die Höhe dieses Betrags wird mit dem Vater der Braut verhandelt und kann zwischen Stadt und Land stark variieren. Diese "Mitgift"kann auch eine Hochzeit verhindern. Wenn der Vater der Braut den Bräutigam nicht für geeignet hält, kann er einfach den Preis viel zu hoch ansetzen. So kann der Bräutigam nicht zahlen und kann die Frau auch nicht heiraten.
Das der Mann dieses Geld aufbringen muss, welches meist durch längeres arbeiten und sparen des verdienten Geldes gesammelt wird, sorgt auch dafür, dass die Männer meistens schon um die 30 Jahre alt sind wenn sie heiraten können. Wo hingegen die Frauen meist um die 10 Jahre jünger sind. Es ist schwierig für eine kambodschanische Frau über 30 einen Kambodschaner zu finden, der sie noch heiraten möchte. Das gleiche gilt für Witwen oder geschiedene Frauen. Meistens bleiben diese ohne einen (weiteren) Ehemann. Ausnahmen sind nur die, die Ausländer heiraten. Meistens haben sie eher weniger ein Problem damit, dass die Frau schon so "alt" ist und vorher mit einem anderen Mann geschlafen hat. Bei Männern aber wird das alles nicht ganz so eng gesehen, diese können auch noch ein weiteres mal heiraten.

Die Hochzeit an sich dauert meistens um die zwei/drei Tage. Wobei die meiste Zeit die Anzahl der Gäste recht überschaubar ist. Da die eigentlichen Zeremonien nur mit der Familie und engen Freunden abgehalten werden. Erst bei der großen Feier am Abend des letzten Abends werden dann alle anderen Menschen, die man noch so kennt, eingeladen, sodass um die 600 - 1000 Gäste eingeladen sind.
Die Zeremonien werden entweder in einem riesigen Hochzeitszelt bei sich zu Hause oder in einem extra für Hochzeiten gemieteten Raum durch geführt.
Ich kann mich glücklich schätzen, dass ich bei der Hochzeit von Socheata (Schülerin von Henrik und Freundin von Paulina) und Malyvan (Lehrerkollege der beiden und Freund von Henrik) auch bei den Zeremonien dabei sein durfte, wo ich bei den anderen Hochzeiten nur bei der abendlichen Feier dabei war. Somit konnte ich miterleben wie man eine Hochzeit auf kambodschanische Art feiert.

Nach meinen Erfahrungen beginnt der Tag einer Hochzeit sehr früh, wenn man denn zu den Zeremonien eingeladen ist und auch hin geht. Die erste Zeremonie beginnt gegen 7 Uhr morgens, doch muss man noch bedenken wie lange man hinbraucht und wie lange man sich fertig macht. Denn wie auch bei uns üblich, zieht man sich zu einer Hochzeit was nettes an und trägt ein wenig Make-Up auf. Hier muss man aber noch darauf achten, dass das Kleid und die Schminke bei den Zeremonien zwar schick ist, aber nicht ganz so schick wie am folgenden Abend. Denn der ist die Krönung von allem.
Da Socheata und Malyvan im etwas weiter entferntem "Apollo Plaza", angeblich den besten Räumen/Restaurant für Hochzeiten in der Stadt, gefeiert haben waren, wir schon für 6 Uhr mit Bamap verabredet.

Bei der ersten Zeremonie befindet man sich noch außerhalb des Hauses. Ein jeder Gast bekommt eine Gabe, ein Geschenk des Bräutigams für die Braut in die Hand gedrückt. Dabei handelt es sich um Obst, Gebäck, Fleisch und ähnlichem. Ich konnte sogar einen "Schweinekopf" erspähen, den ich zum Glück nicht bekommen habe. Die Gästeschar entfernte sich von den Räumlichkeiten und stellte sich dann in einer bestimmten Anordnung auf.  Den Kopf der Schlange bildete der Bräutigam und deren engen Familienmitglieder (vermute ich) und der Körper besteht aus einer Anreihung von immer zwei Leuten. Wobei auch hier man nicht willkürlich stehen kann, denn zum Beispiel kommen zuerst die Leute, die Obst tragen.
Mit Trommelschlag bewegt sich dann diese Schlange vorwärts, zurück zu dem Gebäude und tatsächlich auch ins Gebäude rein. Dort angekommen setzen sich alle auf die Stühle, welche einen Gang auf die Stühle des Bräutigams zuführend bilden. Von dort an wird die Zeremonie von einem Mann und einer Frau geleitet, welche auch singen, tanzen und von den Gästen ein paar Gaben einsammeln und anschließend der Braut und ihren Eltern überreichen.
Die ganze Zeremonie symbolisiert eigentlich nur die Gaben, die der Bräutigam der Familie der Frau gibt um das Einverständnis zur Hochzeit zur erhalten. Wobei im Gegensatz zu heute, früher diese Gaben vermutlich tatsächlich die richtigen Geschenke waren und kein Geld.


Nach dieser Zeremonie gab es erst einmal für alle Gäste Frühstück, wie üblich für Kambodscha gab es Porridge. Wobei es sich nicht um Porridge handelt wie man ihn bei uns kennt, sondern es viel eher eine Reissuppe mit Fleisch ist.
Nach dem Frühstück folgten weitere Zeremonien. Wobei jede einzelne viel mehr für die Fotos, als für die Gäste oder das Hochzeitspaar stattfinden. Die Fotos haben ihre Wichtigkeit, sie gelten hier wie eine Hochzeitsurkunde. Kaum Jemand heiratet nämlich tatsächlich vorm Standesamt, das würde nur Stress und Kosten verursachen. Somit hat auch keiner eine Hochzeitsurkunde. Der Beweis dafür, dass man geheiratet hat, sind die Fotos, Videos und alle die Nachbarn, die bezeugen können auf der Hochzeit gewesen zu sein. Daher werden die Hochzeiten auch so riesig gefeiert, so viele wie möglich sollen mitkriegen, dass man geheiratet hat, damit keiner es anzweifeln kann.

Während den Zeremonien wird die Anzahl der Gäste immer weniger und weniger. Bis am Ende eigentlich nur noch die Familienmitglieder übrig sind. Und natürlich wir. Ich kann es den Gästen, die frühzeitig gehen, nicht missbilligen. Denn es zieht sich schon ewig. Nicht einmal die Zeremonien selber, diese sind interessant und recht kurz. Sondern die Zeit zwischen den Zeremonien. Denn vor jeder Zeremonie muss sich das Brautpaar umziehen und die Braut neu geschminkt und zum Teil neu frisiert werden. Sowas dauert eine Weile und somit entstehen lange Pausen. Erst recht wenn man um halb 6 in der Früh aufgestanden ist, ist es nicht sehr leicht geduldig zu warten. Ich für meinen Teil bin in der Wartezeit sogar auf Paulinas Schulter eingeschlafen.

Die letzten beiden Zeremonien waren wieder ein wenig aufweckender, da auch die Gäste wieder einbezogen wurden. Bei der einen konnten immer zwei Personen gleichzeitig nach vorne zum Paar gehen, einen der beiden eines der roten Glücksarmbänder ums Handgelenk binden, mit einer Blume Wasser auf deren Hände und Köpfe tröpfeln lassen, ihnen Wünsche für die Zukunft aussprechen und ihr Hochzeitsgeschenk, ein Umschlag mit Geld, überreichen.



Bei der letzten Zeremonie setzen sich alle Gäste um das Brautpaar herum. Natürlich nur im Halbkreis, denn ansonsten würde ja Jemand mit dem Rücken zur Kamera sitzen. Auch wir wurden, zu unserer Freude, aufgefordert mit zu machen. Jeder hat Blumen in die Hand gedrückt bekommen und dann wurde fleißig gerupft. Denn notwendig waren nur die Blüten der Blumen. Der Sprecher redete und redete und auf ein Kommando hin wurden die Blüten aufs Paar geworfen. Anscheinend wird das dreimal wiederholt, was zu Peinlichkeiten meinerseits führte, da ich natürlich alle Blüten auf einmal warf. Nachdem die herum sitzenden ordentlich gelacht haben, gaben sie mir und Paulina, die wohl den gleichen Fehler machte, freundlich lächelnd ein paar ihrer Blüten ab und wiesen daraufhin drei mal zu werfen. Anschließend haben wir es richtig gemacht.

Als die letzte Zeremonie beendet wurde konnte man noch Fotos mit dem Hochzeitspaar machen und es gab Mittagessen. Gegen 13 Uhr war es dann erst einmal zu Ende und Bamap fuhr uns wieder nach Hause.


Wenn man, wie wir ,Abends auch auf die Feier möchte, hat man nicht sehr viel Zeit sich auszuruhen. Vor allem wenn man ein Mädchen ist und sich angemessen schminken und frisieren lassen möchte. Zuhause angekommen konnte ich 2 Stunden Mittagsschlaf machen, duschen und schon ging's mit Pauli wieder los zum Friseur. Dort wurden wir 1,5 Stunden lang in echte Kambodschanerinnen verwandelt und von den Vorbeilaufen bewundert und als "Sreys sart" bezeichnet. In Windeseile ging's nach Hause, schnell ins Kleid und Schuhe rein und dann mit Bamap, Tolla und Henrik zurück zur Hochzeit.


Alle abendlichen Feiern, die ich bis jetzt besucht habe, waren sich ziemlich ähnlich. Alle wurden in einem riesigem Raum mit hundert runden Tischen und einer Tribüne gefeiert. Sobald ein Tisch voll besetzt ist geht es auch schon mit dem Essen los. Dabei handelt es sich meist um ein aus mehreren Gängen bestehendes Menu, wobei eine große Platte o.ä. in die Mitte des Tisches gestellt wird und jeder sich nehmen kann. Meist geht das Essen direkt von der großen Platte in den Mund, man könnte also sagen "1 Teller für 10 Leute". Wer Probleme hat ein Gericht zu erreichen, dreht einfach die runde Tischplatte auf der die Gerichte stehen. Beim Essen wird natürlich schon angefangen zu trinken. Bei den Männern meistens Bier, die Eiswürfel dürfen natürlich nicht vergessen werden und bei den Frauen doch öfter mal Cola oder andere Softdrinks. Während des Essens wird mindestens 10 mal das Glas in die Mitte des Tisches gehalten und angestoßen. Wobei das eigentlich nur die Männer machen und die Frauen das ganze schön ignorieren. Man muss auch nicht brav an seinem Tisch sitzen bleiben, man kann aufstehen und von Tisch zu Tisch gehen um mit anderen Bekannten anzustoßen und zu trinken. Nur gegessen wird an seinem eigenen Tisch. Aber es passiert auch häufiger mal, dass um einen Tisch um die 15 Männer stehen, auch gar nicht essen sondern nur trinken und alle 5 Sekunden am zu prosten sind. Sich sorgen um den Biernachschub zu machen ist unnötig. Es laufen die ganze Zeit um die Tische herum Kellner/innen, die tüchtig dafür sorgen, dass auch kein Getränk vermisst wird.
Irgendwann beginnt auch das Spektakel auf der Bühne, dann wird geredet, gesungen und es gibt Tanzaufführungen. Irgendwann werden dann auch die Gäste aufgefordert sich von den Stühlen zur erheben und die Mitte des Saales zu kommen. Denn dann ist es soweit, das Brautpaar kommt herein. Dann sogar in dem, für uns normalen, Hochzeitsoutfit "schwarzer Anzug und weißes Brautkleid". Das Paar geht durch den Gang aus Gästen zur Bühne, während dessen werden sie wieder mal mit Blüten, Konfetti und Luftschlangen beworfen.



Auf die Bühne gesellen sich auch die Eltern des Paares dazu und jeder der 6 darf einmal etwas sagen, sich bedanken und ihre Zukunftswünsche äußern. Bei Socheata hieß es: "Ich hoffe das mit dem Baby klappt auch bald." Anschließend muss sich das Brautpaar mit etwas gegenseitig füttern, ob es sich dabei um eine Banane oder um Langotan handelt ist auch egal.
Und dann der Höhepunkt von allem. Sie sollen sich vor all ihren Gästen küssen. Bei uns wäre das wohl recht schnell erledigt, einfach ein kleines Küsschen und gut ist. Doch hier dauert es, bis beide den Mumm zusammen haben und es dann endlich schaffen. Aber generell gibt es erst ein Kuss auf jede Wange und auf die Stirn und dann erst auf den Mund. Es ist wirklich süß mit anzusehen, wie sich ein so frisch verheiratetes Paar so genieren kann sich zu küssen. Da merkt man deutlich, dass es hier was ganz anderes bedeutet.
Anschließend wird Musik gespielt und es wird getanzt. Meistens gibt es aber Livemusik, denn in jeder Familie ist mindestens eine Person musikalisch begabt und singt auf dem Podium.
Wer noch nicht genug gegessen hat kann auch immer wieder zum Tisch zurück kehren, essen und/oder trinken.
Man muss nur aufpassen, dass der Tisch nicht zu verlassen aussieht. Denn dann wird er einfach ganz weggeräumt. Das ist jedenfalls Paulina und mir auf der letzten Hochzeit passiert. Als wir vom Tanzen zurück kamen, war der Tisch einfach abgebaut und wir hatten weder Essen, noch Gläser noch trinken. Doch wir wurden von den Leuten am Nachbartisch herzlich eingeladen uns zu ihnen dazu zu gesellen. Da zu so später Stunde eh kaum einer mehr sitzt, ist es auch egal wie viele jetzt bei einem Tisch stehen oder nicht.




Die Feier ist dann meist gegen 10 oder 11 vorüber. Für die Braut, die gegen 3 Uhr morgens aufgestanden ist war das auch schon ein sehr langer Tag. Wer aber noch nicht müde ist und nach Hause will zieht weiter zum "KTV", also zum Karaoke. Obwohl singen und ich nicht so gut zusammen passt, konnte ich es mir einmal auch nicht entgehen lassen.


[ Die ersten Fotos waren von Socheatas Hochzeit, die folgenden sind von Linas (die Schwester unserer Landlady) Hochzeit]












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